mit der bauwelt durch den iran
Reisebericht zur Bauweltreise nach Teheran und Iran (1)
von Dr. Ulrich Schlecht
Vorwort
Persien ist der altgriechische Begriff für das antike Reich, dessen Zentrum im heutigen Iran angesiedelt war. Genau genommen stammt der Begriff von der Region Fars ab, die auch heute noch durch das Persepolis (Stadt der Perser) weltbekannt ist. Aufgrund der politischen Situation im Iran bevorzugt der ein oder andere (Exil-) Iraner den Begriff Persien. Hierdurch drückt er seine kulturellen Wurzeln von Gastfreundschaft und Lebens-philosophie aus, ohne sich über die aktuelle Politik ausdrücken, oder gar rechtfertigen zu müssen. Betrachtet man die aktuelle Presse, so wird man mit Informationen über politische und religiöse Unterdrückung bombardiert. Der deutsche Normalbürger erfährt hingegen nichts von den kulturellen Wurzeln der Bevölkerung und den aktuellen Lebensstil der Iraner. Hier zeichnet sich eine klare Wissenslücke auf. Entsprechend eingeschränkt dann auch oft die Aussagen von Freunden, als ich Ihnen von meinen Reiseplänen berichtete: "Wie kannst Du nur in so ein unsicheres Land reisen?".
Stellt man einen Vergleich mit den Vereinigten Staaten an, so sind die landläufigen Meinungen oft differenzierter. Die meisten können hier klar und deutlich zwischen der Politik eines Texaners und dem american Way-of-Life unterscheiden. Letztere Information kennt man ja schließlich aus dem Fernsehen. Ob hierbei ein wertfreies und objektives Bild der Staaten aufkommt, sei dahingestellt. Im krassen Gegensatz dazu steht aber der Iran. Aufgrund der aktuellen Atompolitik Irans ist das Land in aller Munde und wird zum Teil bewusst sowohl von der westlichen Regierung, als auch von der iranischen Politik selbst verfälscht dargestellt. Was die Iraner aber wirklich beschäftigt, wie sie Leben und was Sie von der westlichen Welt wissen, ist uns unbekannt.
Durch diesen Bericht möchte ich sowohl meine eigenen Eindrücke aus dem Iran fest-halten, als auch dazu beitragen Vorurteile abzubauen. Hierbei ist es mir wichtig sowohl die Sehenswürdigkeiten zu beschreiben, als auch meine persönlichen Erlebnisse gerade mit dem iranischen Volk festzuhalten. Der erste Teil wird natürlich von den vielen Bildern, die ich auf der Reise gemacht habe unterstützt. Schwieriger ist es dabei schon das iranische Leben wiederzugeben. Hier gibt es oft keine entsprechenden Bilder, da man ja z.B. die Frauen nicht so einfach ablichten darf. Um auch diese zu "dokumentieren" habe ich mir während der Reise meine Eindrücke diktiert. Aus den Aufnahmen ist dieser "Reisebericht" entstanden.
Vorbereitungen
Bei einem Treffen mit Christina erzählte Sie mir von ihrem gerade fertig gestellten Sonderheft "Teheran" in der Bauwelt. In ihrem Werk beschreiben deutsche und iranische Autoren sowohl die Stadtentwicklung von Teheran, als auch vom öffentlich-privaten Leben der Iraner. Während mich der erste Themenkomplex nicht so sehr fasziniert, wird mein Interesse beim zweiten Thema geweckt und ich erwerbe das Heft. Eigentlich eher beiläufig erzählen die beiden von ihrer Bauwelt-Reise, die prominent auf der inneren Umschlagseite angekündigt wird. Mein Fernweh ist geweckt, insbesondere auch wegen einer speziellen Diashow über den Iran, die Christina noch in ihrer alten Studentenwohnung auf einem gespannten Bettlaken gezeigt hatte. Ich beschließe mich der Reisegruppe trotz der unsicheren politischen Situation anzuschließen.
Wie bereitet man sich auf so eine Reise vor? Einfach den Reisekoffer packen und los geht's, ist wohl dem Reiseziel nicht angemessen! Aus der Stadtbücherei leihe ich mir einen Kunstführer über den Iran aus. Warum es Kunstführer heißt und nicht Reiseführer, ist mir nicht so ganz klar. Nach einer längeren Einführung in die Geschichte des Iran werden die sehenswerten Bauwerke Irans vorgestellt. Und die Augen werden verwöhnt: Exotische Paläste wechseln sich mit reichlich verzierten Moscheen ab, die kongenial durch bunte Bilder aus den Basaren ergänzt werden. Ein Gefühl von Tausendundeine Nacht kommt auf und man fühlt sich in einen Roman von Karl May versetzt.
Eine wichtige Komponente kommt aber in diesem Buch zu kurz: das Leben, wie es im Journal beschrieben ist. Die Gebäude repräsentieren den Reichtum der Vergangenheit, spiegeln aber in keiner Form die Gegenwart wieder. Einen ersten, wenn auch stark romantisierten Eindruck hiervon erhalte ich aus dem Reisebericht von Bruni Prasske. In ihrem Buch "Mögen deine Hände niemals schmerzen" berichtet Sie von ihrer Reise durch den Iran. Sie besucht die unzähligen Verwandten ihrer in Deutschland lebenden iranischen Freunde. Hierdurch erhält sie einen weit reichenden Einblick in das (Privat-) Leben der Iraner. Einem Genuss, der unserer Reisegruppe leider zum großen Teil verwehrt bleiben wird. Zum Zeitpunkt meiner Abreise hatte ich es gerade zur Hälfte gelesen. Wie erfrischend dann die letzten Seiten sind, in denen Sie Orte beschreibt, die ich kurz zuvor selbst gesehen habe.
Eine Woche vor Abflug wird mir noch der Reiseführer "Kulturschock Iran" empfohlen, der ein wenig auf die kulturellen Unterschiede hinweist und grundlegende Verhaltensweisen speziell für Ausländer beschreibt. Die beschriebenen Maßnahmen schrecken ein wenig ab und blockieren etwas die Lust mit der iranischen Bevölkerung in Kontakt zu treten. Das Buch "Kauderwelsch Persisch" ist eigentlich als kleiner Sprachführer konzipiert, doch die umfangreiche Grammatik schreckt ab. Lediglich die Ziffern kann ich mir merken, jedoch stehen in den Basaren selten Preisschilder, wodurch dann doch ein Übersetzer nötig wird.
Ankunft in Teheran
Schon der Abflug in Frankfurt bereitet uns einen Einblick in die andersartige Kultur Irans. Die Stewardessen tragen ein Kopftuch, wie es auf iranischem Boden vorgeschrieben ist. Das Tuch wird durch einen versteckten Hut auf dem Kopf gehalten und hängt auf der rechten Seite herunter, um auf der linken Schulter fixiert zu werden. Die Falten des Kopftuches bestechen durch ihre Zweifarbigkeit, während die Vorderseite im dunkelblau des Anzuges gehalten ist, scheint auf der Rückseite Gold hindurch. Die Raffinesse des Tuches erinnert eher an ein modisches Extra, als an ein zur Vermummung bestimmtes Kleidungsstück.
Der Teheraner Flughafen ist ein funktional gehaltenes Gebäude, ohne ornamentale Verzierungen. Beim Ausgang erwartet uns eine Flut von leuchtenden Werbetafeln, wie man sie wohl von jedem x-beliebigen Flughafen her kennt. Lediglich die unbekannte Schriftart erinnert uns an die Exotik des Reiseziels. Auch auf der Fahrt zum Hotel will nicht so recht eine orientalische Stimmung aufkommen. Moderne Hochhäuser zieren die Ränder der breiten Autobahn. Die bis zu fünf Fahrspuren je Richtung sind zum größten Teil in hervorragendem Zustand. Die Wegweiser sind an modernen Stahlgestellen angebracht. Verwunderlich ist die durchgängige Zweisprachigkeit der Schilder. Neben der persischen Schrift, die stark an die arabischen Schriftzeichen erinnern, sind die Orte auch in englischer Sprache angegeben. Wie passt dieses Bild zur anti-amerikanischen Politik Irans?
Auch bei unserem Hotel Esteghlal will die gewünschte Stimmung nicht so recht aufkommen. Von außen handelt sich das ehemalige Hilton-Hotel um einen Betonklotz, dessen Treppenhäuser in den Farben der iranischen Flagge beleuchtet sind. Der Eingang ist hingegen mit großen Teppichen ausgelegt. Die Zimmer werden durch einen schweren Vorhang mit orientalischem Muster dominiert und in einer Ecke findet sich unter der Decke ein Pfeil, der Richtung Mekka weist. Eine Moschee in der Ferne lässt endlich ein Gefühl des Orients aufkommen, auch wenn sie in einem knalligem grün angestrahlt wird. Schon jetzt ist klar, dass der Iran mehr ist, als nur eine Ansammlung alter Gebäude, doch welche Eindrücke werden wir geboten kriegen?
Tag 1 : Besuch von Baustellen - Restaurationsbemühungen in Teheran
Nach einer längeren Umtauschaktion durch Abbas sind wir endlich Millionäre. Ein Euro entspricht etwa 10.000 Rial. Umgangssprachlich wird aber mit dem Tuman gerechnet, wobei im Unterschied zum Rial lediglich eine Null gestrichen wird. Bemerkenswert nur, dass der 10.000 Rial-Schein zu den größten Scheinen zählt. Entsprechend hat nun jeder Reiseteilnehmer ein Bündel von 100 Geldscheinen und die Idee diese in das Portmonee zu stecken wird bald aufgegeben.
Unser kleiner Reisebus wartet, um uns endlich in die Stadt und ihre Gebäude zu ent-führen. Nach der breiten Autobahn werden die Strassen immer enger, die Gebäude niedriger. Wir halten an einer kleinen Nebenstrasse, die nichtsdestotrotz stark befahren ist. Die Atmosphäre wird durch ein ständiges Hupen dominiert. Über den Hintereingang betreten wir unsere erste Moschee: Masjed-e-Shahid Motahhari (Sepahsalar). Obwohl die Moschee gerade renoviert wird, müssen sich unsere Begleiterinnen einen geliehenen Schador überziehen.
Bereits die ersten Kuppeln, die den Zugang zum offenen Hof bilden, wecken unser Interesse. Es geht vorbei am winterlichen Gebetsraum, in dem ein Wärter mit einem ordinären Staubsauger die Teppiche saugt. Davor stehen einsam fünf Paar Schuhe, die die Gläubigen ausgezogen haben, bevor Sie den Gebetsraum betreten. Der Innenhof steht im krassen Gegensatz zum unruhigen Straßenleben. Die Ruhe lädt zum Verweilen ein, doch unser heutiger Reiseführer Parsi lässt uns keinen Augenblick Zeit diese Stille zu genießen. Der quadratische Innenraum wird von 4 Iwanen dominiert. Im nördlichen Iwan spielen zwei Studenten gerade Tischtennis, was irgendwie nicht so recht zur Heiligkeit des Ortes passt. Die Studenten sind in kleinen Wohnungen untergebracht, die durch kleine Bögen ersichtlich werden, die die Iwane miteinander verbinden.
Wir erhalten einen ersten Einblick in die Vielfalt der Möglichkeiten eine Moschee auszu-kleiden: klassische ornamentale Mosaike, rechteckige Mosaike, in denen eine alte Schrift-art versteckt ist, sowie bemalte Kacheln. Während natürlich die Mosaike die schönste Variante darstellt, handelt es sich bei den Kachelbildern um die funktionalste, da zeitoptimierte Version.
Der Südiwan ist der größte Iwan und wird im Sommer für die Gebete genutzt. Da er noch restauriert wird, können wir ihn mit Schuhen betreten. Der Raum wird durch eine große Kuppel dominiert, die auf eine 15-mal-15 Meter große Grundfläche aufbaut. Trotz der bescheidenen Grundfläche wirkt das Gebäude größer, da auch die Nebenräume durch große, hohe Bögen an die Hauptkuppel angeschlossen sind.
Augrund der Beziehungen von Parsi zur lokalen Administration haben wir das Vergnügen der Moschee aufs Dach zu steigen. Über steile Wendeltreppen geht es zunächst auf halber Höhe zum Kuppelansatz. Durch kleine Nischen im Innenraum erfährt man am besten die Höhe des Raumes. Drei weitere Wendeltreppen höher ist man endlich auf dem Moscheendach und kann die äußere Verkleidung der Hauptkuppel begutachten.
Kleinere Fliesenteile, die von der Kuppel abgefallen sind, werden als Souvenir eingesammelt. Durch die kleinen Oberlichter der Kuppel kann man nun von außen in den Innenraum schauen und das religiöse Fries besser betrachten, das am Fuße der Kuppel angebracht ist. Ein Blick auf die Straße verdeutlicht den Kontrast zwischen reich verzierter Moschee und einfacher Wohngegend.
Der Rundgang durch die Moschee wird durch einen kurzen Abstecher zum Haupteingang abgerundet. Bemerkenswert ist hier die verwinkelte Struktur, die zwei Funktionen hat. Zum einen wird hierdurch ein direkter Einblick von der Strasse zum Innenraum verwehrt, zum anderen findet so eine Drehung der äußeren Straßenorientierung zur inneren Nord-Süd Ausrichtung statt.
Zu Fuß geht es weiter zum nächsten Objekt. Ein kurzer Stopp an einem Saftladen lässt uns die Hitze der Mittagssonne vergessen und unser Leben durch ein Glas Melonensaft versüßen. Wir besuchen den Königspalast Massuhdyi, der in keinem Reiseführer zu finden ist, da er noch restauriert wird. Trotz der Planen, die Teile der Fassade bedecken, lässt sich die Schönheit des Palastes erahnen. Der westliche Einfluss lässt sich hierbei nicht leugnen. Im Inneren erwarten uns schöne Details, vom Wasserbecken über diverse Kamine bis zu farbigen Glasfronten. Highlight ist die Spiegeldecke, deren vergangene Schönheit an dem auf dem Boden verstreuten Fragmenten immer noch erahnbar ist.
Beim Besuch der Nebengebäude können wir den Arbeitern bei der Renovierung zusehen. Man erhält einen Eindruck, wie ihn eine normale Reisegruppe sicherlich nicht erhalten hätte. Die Gebäude zeugen vom Reichtum vergangener Zeiten, während die Renovierungsarbeiten eine Aufbruchstimmung des Volkes widerspiegeln. Ob es sich dabei aber um verlorene Träume alter Tage handelt, oder dem Bestreben nach einer besseren Zukunft, wird nicht ganz klar.
Mit der U-Bahn geht es weiter. Welch architektonischer Kontrast zu den gerade besuchten Gebäuden. Eine moderne U-Bahn mit verkleideten Wänden. Die große Treppe wird durch ein Relief beendet, das sehr stark an Persepolis erinnert. In der sauberen U-Bahn scheint es keine Geschlechtertrennung zu geben. Dieses steht im Gegenteil zu den öffentlichen Bussen, wo das hintere Drittel den Frauen vorbehalten ist.
Durch eines der alten Stadttore betreten wir ein politisches Areal. Die Nationalbibliothek ist hier genauso angesiedelt, wie das Außenministerium. Wir besichtigen das ehemalige Polizeipräsidium, das eine Symbiose aus westlicher Architektur mit orientalischen Bögen darstellt und dabei noch den Versuch unternimmt einen Querverweis zur persischen Zeit zu machen. Das Photographierverbot lässt jedoch die Erinnerungen an dieses Gebäude verschwimmen.
Mittagessen! Jeder hat Hunger und ein besonderes Lokal wird von Abbas angesteuert. Es handelt sich um ein sehr kleines Geschäft, dass genauso von Studenten, wie auch Arbeitern frequentiert wird. Wie selbstverständlich machen uns drei Studenten platz, um unserer Reisegruppe den größten Tisch zu überlassen. Lediglich der Chef möchte uns nicht haben. Abbas ist über diese Unfreundlichkeit sehr enttäuscht, möchte er uns doch gerade die Gastfreundschaft der Iraner zeigen. Trotz größerer Bedenken unseres Reise-führers stoppen wir in einer Kebab-Bude. Man kann zwischen Gehackten-Kebab und Fleisch-Kebab wählen, mehr Auswahl bietet das einfache Lokal nicht. Im Unterschied zum deutschen Döner wird das Gehackte nicht auf einen Drehspieß zubereitet, sondern auf kleinen Schwertern verteilt, wo es von beiden Seiten auf dem Grill gebraten wird. Dazu gibt es persisches Brot, eine Mischung aus Pfannkuchen und Fladenbrot, mit dessen Hilfe man das Fleisch zu sich nimmt. Als Getränk gibt es Duk, ein salziges Joghurtgetränk.
Frisch gestärkt geht es ins Glas- und Porzellan-Museum direkt um die Ecke. Das Gebäude wurde um die Jahrhundertwende 1900 erbaut und besticht durch seine westliche Fassade. Der Innenraum wird durch eine große Holztreppe dominiert. Ein großer Kontrast besteht zwischen der Architektur des Gebäudes und den modernen Vitrinen, die 1960 von einem deutschen Architekten installiert worden sind. Die Exponate reichen von antiken Vasen über doppelwandigen, reliefartigen Vasen, bis zu modernen Gläsern. Viele Gläser deuten auf eine starke Verbindungen Richtung Venedig hin, während der klare, blaue Farbton auf diversen Keramiken Richtung China weist. Man erhält hierdurch einen Einblick auf die Wirtschaftsbeziehungen des alten Irans, das durch die Seidenstrasse dominiert war.
Drei Querstrassen weiter betreten wir das Althistorische Museum. Beeindruckenstes Exponat ist sicherlich die große Felstafel aus Persepolis. Dargestellt wird Darius, der Gründer von Persepolis, gefolgt von seinem Sohn Xerxes. Sie empfangen eine fremde Delegation. Der spätere Xerxes hat dieses Relief in die Schatzkammern verbannt, da er nicht als Kronprinz abgebildet werden wollte. Nun findet sich die große Tafel in einem sterilen Museum und lässt die Spannung auf Persepolis selbst wachsen. Neben den Exponaten aus persischer Zeit gibt es aber auch zweisprachige Figuren, die an die Verbindung zum alten Ägypten erinnern. Das Angebot wird komplettiert durch kleine Bronzefiguren, die an die Eroberung durch die Griechen erinnert. Die Vielfalt der Ausstellungsstücke erlaubt einen Einblick in die bunte Vergangenheit des Irans, auch wenn man kein abgerundetes Bild erhält.
Die Reisegruppe probt den Aufstand und verlangt eine Chai-Pause. Eine schöne Tradition, der wir in den folgenden Tagen noch häufiger nachgehen werden. Zwar wird der Tee nicht klassisch im Samowar zubereitet, sondern mittels Teebeutels, trotzdem weckt das heiße Getränk wieder unsere Lebensgeister, so dass es nach einer dreiviertel Stunde weitergehen kann.
Der erste Tag wird abgerundet durch einen Besuch des Islamischen Museums. Wer nun eine indoktrinierende Kultstätte erwartet hat, wird enttäuscht. Wertfrei wird hier die Geschichte seit der Islamisierung des Irans im 6. Jahrhundert dargestellt. Die Exponate reichen von alten Teppichen, diversen Stempeln zur Stoffherstellung, bis zu astronomischen Uhren. Als religiöse Objekte gibt es das ein oder andre Mihrab. Leider schließt das Museum zu früh, so dass wir nur einen kleinen Ausschnitt der großen Ausstellung betrachten können.
Mit dem Bus geht es nach einem anstrengenden Tag zurück Richtung Hotel. Leider wollen auch unzählige Iraner mit ihren Autos der Stadt entfliehen, weswegen es nur im Stop-and-Go-Verfahren weitergeht. Der Verkehrskollaps der Stadt führt uns zurück in die Gegenwart, nachdem wir den ganzen Tag nur Objekte der Vergangenheit beobachtet haben. Entlang unseres Weges sieht man Nobelgeschäfte, die sämtliche Markenprodukte der westlichen Welt anbieten, dazu noch bunte Leuchtreklame. Man erhascht einen ersten Blick auf die iranischen Frauen. Ihre Kleidung variiert doch sehr stark zwischen klassischem Schador und minimalem Kopftuch. Lediglich an den Bushaltestellen und in den Bussen sieht man die Geschlechtertrennung, die mehr als Relikt aus vergangenen Zeiten wahrgenommen wird, als Teil des Alltags.
Während die einen erschöpft in ihre Betten fallen, gehen einige noch ins nahe gelegene Einkaufszentrum, um dort zu Abend zu essen. Die an Tischgestellen aufgehängten Fleischspieße erinnern stark an eine touristische Raffinesse, was aber mangels Tourismus im Iran auch nicht so ganz real sein kann. Im angeschlossenen Cafe wird das Abendessen mit entsprechenden Süßigkeiten abgeschlossen.
Tag 2 : Stadtentwicklung Teheran
Nach dem abwechslungsreichen Tag gestern erwartet uns heute ein Programm der anderen Art. Als Teil der Reisegruppe Bauwelt erkunden wir heute das moderne Teheran und die Bemühungen der Stadtverwaltung die Stadt mit neuem Leben zu erfüllen.
Schon beim Frühstück erwartet uns die erste Überraschung: Taraneh wird heute unser local-guide sein. Sowohl ihre farbenfrohe Erscheinung mit beigem Hemd und dunkelrotem Kopftuch, als auch ihre unbekümmerte Art sich zu uns an den Tisch zu setzen und wie selbstverständlich ihre Hand zum Gruß auszustrecken, passen so gar nicht in das Bild von scheuen, iranischen Frauen.
Teheran unterteilt sich in den reichen Norden und dem armen Süden. Zwischen den beiden Teilen gibt es keine strenge Grenze, sondern sie verläuft fließend. Die Idee des Bürgermeisters Karbastschi war es das reiche Bauland, oder genauer die Genehmigung zum Bau von Hochhäusern im Norden zu verkaufen und davon Bauprojekte im armen Süden zu ermöglichen. Ob eine derartige Umschichtung von Erfolg gekrönt ist, soll heute in Erfahrung gebracht werden.
Erstes Ziel sind die Neubaugebiete des Navab-Projektes. Entlang der Autobahn Richtung Süden sind neue Wohneinheiten entstanden, die die große Strasse Richtung Süden in einem 50 Meter breiten Band säumen. Hierbei handelt es sich um 5-stockige Häuser. Im Vergleich zu den dahinter gelegenen Häusern, die durchweg 2-stockig sind, ragen die Navab-Häuser hervor. Des Weiteren versperren sie den Weg zwischen West und Ost, der zusätzlich durch die Autobahn selbst versperrt wird. Entsprechend gering ist die Annahme der Bevölkerung dieses neuen Bauprojektes. In der neuen Ausbauphase soll die Autobahn unter die Erde verlegt werden, um so die familiären Verbindungen zwischen dem West- und Ostteil der Stadt zu erhalten. Was aber aus den bestehenden Wohneinheiten werden soll ist nicht ganz geklärt. Die Grundidee war durchaus richtig konzipiert, wird aber von der Bevölkerung nicht oder nur begrenzt angenommen. Weiterer Nachteil dieses Transfer-Prozesses ist der reiche Norden: Die unzähligen Hochhäuser versperren die Sicht auf die Berge im Norden.
Es geht weiter zum Kulturzentrum im ehemaligen Schlachthof. Das Kulturzentrum ist, wie das Navab-Projekt, zur Stärkung des Südens konzipiert worden. Geplant als Begegnungsstätte von Nord und Süd, wird es heute gerne von der Bevölkerung angenommen. Das Angebot reicht von Sportstätten über Musikräume, Theater, bis zu einem Kino. Viele Schulklassen begegnen uns unterwegs. Auffällig hierbei die Schuluniformen der Mädchen, während die Jungen freie Kleidungswahl haben. Eine kleine Gruppe von Jugendlichen kommt mit uns ins Gespräch. Ihr Englisch ist gut, doch ihre Meinung, dass es doch dekadent wäre, wenn wir aus dem Westen den Iran besuchen würden, während es doch sinnvoller wäre, Sie nach Europa zu holen, kommt uns etwas komisch vor. Auch das Kindergartenprojekt, wir bauen ein Atomkraftwerk, sowie das übergroße Poster (Nuclear Energy is our Undisputable Right) am Eingang lässt uns an der kulturellen Freiheit dieses Ortes zweifeln.
Anschließend weiter zum großen Bahnhof im Süden der Stadt. Von Deutschen erbaut, besticht das Gebäude durch seine schlichte Funktionalität. Die Decken sind mit modernen Reliefbildern geschmückt, die den technischen Fortschritt dokumentieren. Im Gegensatz dazu dann der Warteraum der ersten Klasse, der durch sein Semi-Barockes aussehen hervorsticht. Der Bahnhof ist Ausgangspunkt der Vali-Asri. Geographisch verbindet die 17 km lange Verbindungsstrasse Nord und Süd.
Wir machen einen kleinen Abstecher zu den Randgebieten des Basars. Wie in alten Zeiten ist auch heute noch der Basar Umschlagsplatz für Waren. Als Touristen stürzen wir uns auf die Gewürzstände, als ob wir keine weiteren Einkaufsmöglichkeiten bekämen. Die Farbenvielfalt ist aber auch zu verlockend. Eigentliches Ziel dieses Stopps ist die einzig verbliebene Karawanserei innerhalb Teherans. In einem Hinterhof begrüßt uns zunächst unscheinbar ein großes Tor. Durch einen kleinen Tunnel, der in Backstein gearbeitet ist, erreichen wir den großen Innenhof. Wie schon in der Moschee ist der Innenhof durch kleine Nischen geprägt, die früher den Durchreisenden als Wohnquartier dienten. Nach der Renovierung sollen die Räume als Geschäfte genutzt werden. Wie lange es bis dahin aber noch dauern wird, ist nicht so ganz klar.
Zum Mittagessen geht es in ein Lokal in der Mitte eines Stadtparks. Serviert werden Kebab und andere Spezialitäten, wie durchgekochte Auberginen mit saurer Sahne. Aus motorischen Gründen wählen wir zunächst die niedrigen Tische, um das Essen zu uns zu nehmen. Für den Chai geht es dann auf die eigentlichen Teppichwiesen, die die Wände des Gebäudes umrahmen. Die Teppiche sind auf ca. 50 cm hohen Gestellen angebracht.
Mit dem Rücken zur Wand kann man endlich die anderen Gäste des Lokals beobachten. Es scheint sich um eine kleine religiöse Oase zu handeln, zu der die Sittenwächter keinen Zugang zu haben scheinen. Besonders sehenswert ist eine Schülergruppe: Ein Mädchen unterhält sich angeregt mit einem gleichaltrigen Jungen. Die beiden halten vorsichtig Händchen und zwischendurch wechselt das Mädchen immer zu ihren Freundinnen, um ihnen die Erzählungen des Jungen wiederzugeben, oder sich von ihnen beraten zu lassen. Wie sehr ähnelt dieses Bild den ersten Berührungspunkten von westlichen Jugendlichen und wie sehr passt dieses Bild so gar nicht in den Iran, in dem die Geschlechtertrennung doch so vehement verteidigt wird. Als kleines Highlight gibt es zum Chai auch die erste Wasserpfeife. Es gibt Orangen- und Pfirsicharoma und lässt die Strapazen der vergangenen 1 1/2 Tage vergessen.
Nach einem kurzen Abstecher zum rekonstruierten Mashgh Platz geht es weiter zum Stadttheater. Die Betonfassade lädt zunächst nicht zum verweilen ein, jedoch wird auf dem zweiten Blick die kühne Architektur des runden Gebäudes sichtbar. Mit geübtem Blick erkennt man wieder die religiöse Oase. Regeln werden hier nicht so ernst genommen und die Studenten treffen sich nicht nur zum Kartenkauf. Ein ziviler Sittenwächter wird leicht ausgemacht und erinnert stark an alte Stasi-Zeiten. Da er aber als solcher wahrgenommen wird, kann man seine "Aufsichtspflicht" leicht umgehen.
Während wir auf den Einlass in das Theater warten, beobachte ich drei Studentinnen, die auf einer Parkbank warten. Von einem kleinen Mädchen kaufen sie ein Gedicht ab. Gerne lässt sich das Mädchen von einem der Studentinnen fotografieren. Dabei habe ich den Eindruck, dass auch ein Foto in unsere Richtung aufgenommen wird. Sind wir als Gäste die Beobachter, oder werden wir vielmehr beobachtet. Mir fällt eine Geschichte aus dem Zoo ein: In seinem Gehege beobachtet der Affe, der die Freiheit nicht kennt, durch die Gitterstäbe die Wesen, die in einem riesigen Gehege komische Fratzen schneiden.
Wir gönnen uns eine weitere Tasse Chai, den wir am Kiosk kaufen. Ein Student kommt auf uns zu, um sich mit uns zu unterhalten. Er berichtet von einem Freund, der nach Jahren in Europa wieder zurückgekehrt ist, um endlich zu heiraten. Ob der Freund aber die Rückkehr in den Iran als Befreiung von der fremden Kultur, oder als Verlust der westlichen Freiheit ansieht, wird nicht ganz klar. Auch die Frage nach unterschiedlichen Schönheitsidealen kann nicht wirklich geklärt werden. Ich finde es wichtig, dass die fremde Kultur nicht mit der eigenen Kultur verurteilt werden soll, sondern lediglich als andersartige Kultur wahrgenommen wird. Nach einem kurzen Spaziergang durch den hinteren Teil des Parks, der größtenteils von der älteren Bevölkerung aufgesucht wird, verabschieden wir uns von Taraneh.
Nach einem kurzen Abstecher ins Hotel geht es mit dem Bus in den hohen Norden. An einem der sieben Bäche Teherans machen wir in einem Restaurant rast. Die Kühle des Bergeinschnittes lässt uns die Hitze des Tages vergessen. Auf dem Teppichlager versuchen wir nun unsere Mahlzeit zu uns zu nehmen, ohne den Teppich vollständig zu ruinieren. Wie in südlichen Ländern üblich treffen wir ganze Familien an. Auch nach 10 Uhr schwirren immer noch kleine Kinder zwischen den Teppichen hin und her.
Tag 3 - Architektur in Teheran, Ankunft in Shiraz
Es bleibt ein halber Tag Zeit, bevor es mit dem Flieger weiter nach Shiraz geht. Wie schon der Vortag soll er zur Besichtigung des modernen Teheran genutzt werden. Über unzählige Autobahnen geht es Richtung Innenstadt. Weitere Details werden wahrge-nommen, so die vielen Grünflächen inmitten eines Autobahnkreuzes. Die vielen Blumen werden von unzähligen Gärtnern gegossen. Welchen tieferen Sinn diese Anlagen haben, die wohl nie einen Besucher sehen werden, erschließt uns leider nicht und auch unser Reisführer weiß keine plausible Antwort.
Erstes Ziel des Tages ist ein Architekturbüro in der reicheren Gegend Teherans. Ein fünfstöckiges Gebäude mit engem Treppenhaus ist nur durch die vielen Schreibtische als Architekturbüro erkennbar, könnte aber genauso gut ein Wohnhaus sein. Im modern eingerichteten Konferenzraum zeigt uns die Tochter des Chefs mit einer Powerpoint-Präsentation die aktuellen und vergangenen Projekte des Büros. Moderne Botschaften und Bürogebäude, funktionale Wohnanlagen mit Einkaufszentrum werden genauso vorgestellt, wie Masterpläne für die Umstrukturierung des historischen Zentrums von Teheran. Im Unterschied zu deutschen Projekten gibt es bei den iranischen Architekten eine weitere Phase der Planung. Neben den verlorenen und gewonnenen Wettbewerben gibt es noch die Rubrik gewonnener Wettbewerb aber Einstellung des Bauvorhabens. Diese Unsicherheit bei Bauvorhaben erschwert die sinnvolle Verteilung von Architekten auf die vielen Projekte. Durch das breite Spektrum an Projekten versucht man diesem Problem entgegenzuwirken.
Nach einer kurzen Pause, in der wir den Saft süßer Zitronen kosten dürfen, wird es zwischenzeitlich touristisch. Wir besuchen das Azadi-Monument. Ein über-dimensioniertes Tor, das als eins der letzten Projekte des Schahs aus dem Jahr 1971 gilt. Seine geschwungene Form erinnert an einen geöffneten Vorhang in einem Theater. Die genaue Form der einzelnen Steinplatten konnte nur mit Hilfe eines Computers berechnet werden. In Ost-West Richtung schaut man durch einen großen runden Bogen, dass an eine gute politische Anbindung an westliche Nationen erinnern soll. Im Norden und Süden ist dieser Bogen durch zwei kleine Tore unterbrochen. Ihre spitze Form erinnert stark an den Eingang einer Moschee und soll die Verbundenheit Irans mit dem Islam symbolisieren. Nach der islamischen Revolution wurde die Aussichtsplattform geschlossen und das Gebäude kann nur noch von außen betrachtet werden. Etwas störend wirkt der überdimensionale Kreisverkehr, der das Monument umgibt.
Nach einer gefährlichen Überquerung des Kreisverkehrs geht es mit dem Bus weiter zum Wohnquartier Ekbatan. Anfang der 1970er geplantes Hochhausquartier erinnert es sehr stark an das Berliner Marzahn: Eine Ansammlung von Betonbauten. Im Unterschied zu Berlin wird das Hochhausquartier aber von den Teheranern gerne angenommen, da genügend Bäume zwischen den stufigen Hochhäusern zum verweilen einladen. Mit entsprechenden Einkaufsmöglichkeiten hat sich eine autonome Wohneinheit gebildet, die gerne von Freidenkern und sozialen Problemfällen (z.B. allein erziehende Mütter) genutzt wird.
Knapp zwei Stunden Flug später erreichen wir eine ganz andere Welt: Shiraz. Zunächst geht es Richtung Westen durch ein Industrieviertel mit vielen Werkstätten, das so gar nicht einladend wirkt und einen provinziellen Eindruck hinterlässt. Das Hotel ist etwas schlichter gehalten, hat aber im Gegensatz zu unserer Teheraner Unterkunft nicht den abgenutzten Charakter. Von meinem Hotelzimmer aus blicke ich auf einen schönen Hotelpark, dem sich eine Landschaft aus Bäumen anschließt, die einen der unzähligen Parks von Shiraz markieren. In der Ferne erstrecken sich die Berge, an dessen Hängen sich Wohnhäuser mehren.
Noch am selben Abend besuchen wir das Korantor, oder genau genommen eine Kopie des Originals. Es markiert den nördlichen Zugang zur Stadt und ist direkt im Tal zwischen zwei Bergen angebracht. Da es sich um eine Kopie handelt schenken wir dem Bauwerk nur geringe Beachtung und erklimmen stattdessen den Berg. In einer Höhle soll einer der großen Dichter Irans die Einsamkeit gesucht haben. Von dieser Ruhe ist leider nichts zu spüren, da unzählige Einheimische diesen Ort zur Erholung auserkoren haben. Nach weiteren 300 Metern erreichen wir ein Teehaus, vor dem wir neben dem Chai auch der Wasserpfeife zugetan sind. Als wir den Berg wieder hinabsteigen ist es bereits dunkel. Die beleuchteten Straßenzüge lassen die Dimension der Stadt erahnen, verbergen aber auch geschickt die Bausünden, die wir zuvor schon auf unserem Weg gesehen hatten.
Den Abend beschließen wir in einem einfachen Restaurant in der Nähe des Hotels. Zum ersten Mal kriegen wir etwas vom viel versprochenen Eintopf. Die rote Farbe erinnert stark an Tomaten als Grundlage des Eintopfes, doch der würzige Geschmack belehrt uns eines besseren. Vor der verordneten Bettruhe (am nächsten Tag geht es nach Persepolis) machen wir noch einen kleinen Abstecher in den Stadtpark.
Die Familien, die auf den Wiesen picknicken, die Badminton spielenden Kinder, sowie die Musik aus dem Gettoblaster erinnern mich stark an die südeuropäischen Gepflogenheiten den Tag ausklingen zu lassen. Lediglich die Kopftücher der Frauen erinnern mich daran, dass wir uns im Iran befinden. Wie viel Leben doch in dem Park um diese Uhrzeit anzutreffen ist. Stellt sich die Frage, warum wir Deutschen nicht auch so den Tag ausklingen lassen und stattdessen den Abend in den eigenen vier Wänden meistens vor dem Fernseher verbringen.
Tag 4 - Auf antiken Spuren
Der Tag verspricht touristisch zu werden. Heute besuchen wir das Pflichtprogramm einer jeden Iran-Reise: Persepolis. Entsprechend beginnt der Tag schon im Hotel touristisch. Im Frühstückssaal treffen wir ausländische Gruppen an. Die Japanerinnen passen so gar nicht ins Bild der Kopftuchtragenden Bevölkerung. Später sehen wir noch unmögliche Hüte, die in der Form einer japanischen Pagode gehalten sind. Auch eine deutsche Reisegruppe ist anwesend. Ihr Reiseleiter erfüllt sämtliche Klischees der Deutschen: Großer Bierbauch, der durch blau-weiße Hosenträger eingerahmt wird. Die Frauen der Reisegruppe scheinen Umstandskleider der 70er Jahre zu tragen, wie man dem blauen Stoff mit Blümchenmuster entnehmen kann. Wie angenehm ist da das Auftreten unserer Damen in dezenten Farben, die der einheimischen Mode recht nahe kommt.
Mit dem Bus fahren wir schon früh Richtung Norden, um der größten Mittagshitze entgehen zu können. Schon von weitem wird man "begrüßt" durch die unzähligen Bäume der Allee, an deren Ende sich die achemänidische Residenz Parseh befindet. Wie das Azadi-Monument waren die Bäume anlässlich der 2500 Jahr-Feier des persischen Reiches "erbaut" worden. Vorbei an Pavillons mit Souvenirgeschäften nähern wir uns auf einer Betonpiste der Stadt der Perser. Die Stadt wurde etwa 518 v. Chr. durch Darius den Großen erbaut und bereits knapp 200 Jahre später durch Alexander den Großen 331 v. Chr. zerstört.
Vor uns erstreckt sich eine 18 Meter hohe Mauer, auf dessen Spitze sich die Palast-terrasse befindet. Vereinzelte Säulen sind sichtbar, ihre Zuordnung zu einzelnen Gebäudeteilen ist aber noch nicht möglich. Am Fuße der Treppe ein erster Übersichtsplan. Wie mächtig müssen die zugehörigen Gebäude für die unterworfenen Völker gewirkt haben. Nur über zwei symmetrische Treppenaufgänge erreicht man dieses künstliche Plateau. Die niedrigen Stufen erfordern einen würdigen Aufstieg, der dem Ort nur angemessen ist. Zwei überdimensionale Stiere bewachen den Eingang zum Tor aller Länder. Hier verweilen wir, wie die Gesandtschaften der Völker. Während die befreundeten Völker der Perser nun rechts abbiegen durften auf direktem Weg zum Apadana, dem Heiligtum des Palastes, folgen wir geradeaus dem Weg der unterworfenen Völker. Der Blick zurück offenbart uns den Blick auf zwei Flügelbeschlagene Stiere mit menschlichen Gesichtern, die den östlichen Ausgang bewachen.
Von der Straße der Armee ist nichts mehr erhalten geblieben. Mit etwa 1 Meter hohen Betonfundamenten wurde der Säulengang nachgestellt. Gut kann man sich die persischen und medischen Soldaten in den Nischen vorstellen. Ein Abstecher in die Kaserne zeigt uns einen rekonstruierten Säulenabschluss: Das Fabelwesen, das auch Symbol der Iran-Air ist, besteht aus dem kräftigen Körper des Stieres, den Ohren des Esels, und den Augen des Adlers. Am Ende der Straße der Armee biegen wir rechts ab und durchschreiten das unvollendete Tor. Hier hatte Xerxes, der Sohn des Darius, versucht seinem Vater nachzueifern.
Über einen freien Platz betreten wir den 100-Säulen-Saal. Obwohl nur die Fundamente der Säulen erhalten sind, ist die architektonische Macht des Raumes spürbar. Hier mussten die 28 unterworfenen Völker ihre jährlichen Abgaben zum Neujahrsfest an den jeweiligen Machtsinhaber abliefern. Hier erfüllte sich der eigentliche Zweck von Persepolis: Macht demonstrieren und Tribut einfordern. Der Palast wurde nur zu diesem Zweck genutzt, gelebt wurde woanders. Während für die unterworfenen Völker nun ihr Weg zu Ende gewesen ist, ziehen wir weiter.
Es geht Richtung Westen, Richtung Apadana, den wir nun von zwei Seiten umrundet haben. Wieder über zwei symmetrische Treppen kann das Heiligtum erreicht werden. Der linke Aufgang besticht durch ca. 60 cm hohe Reliefs: Auf der Delegation der Völker-schaften sind 23 der 28 unterworfenen Völker dargestellt. Sie reichen ihrem Herrscher ihre Gaben: Schafe, Rinder, Schmuck, Waffen, und Kleider. Bemerkenswert ist ihre Würde, die auch das Geheimnis des persischen Volkes dargestellt: Die Völker knien nicht vor ihrem Herrscher nieder, sondern schreiten würdig auf Ihn zu. Der rechte Aufgang ist mit persischen und medischen Soldaten verziert. Die Asymmetrie der Darstellung deutet eine Zweckgebundenheit der Aufgänge an. Potentielle Feinde werden von Freunden getrennt. In der Mitte der beiden Aufgänge stand ursprünglich die Darstellung von Darius mit dem Kronprinzen Xerxes, die wir im althistorischen Museum in Teheran gesehen hatten. Endlich können wir der Tafel einen Ort zuordnen.
Wir betreten das Apadana. Hier sind einige wenige Säulen aufgerichtet, die eine Vorstellung von der Höhe des Königspalastes geben. Bemerkenswert ist auch das große Loch am Eingang, das als Anker des überdimensionalen Tores diente. Würden wir weiter Richtung Westen laufen, kämen wir unweigerlich zurück an die große Mauer, stattdessen biegen wir in südliche Richtung ab, um den Wohnpalast des Darius zu erkunden. Spiegelnde Steinwände wechseln sich mit detaillierten Reliefs ab. Löcher im Königsrelief wurden als Anker für goldene Verzierungen genutzt, die natürlich im Laufe der Zeit verloren gingen.
Wir ignorieren den Palast des Xerxes und es geht weiter ins Zentrum von Persepolis, dem Rathaus. Hier erfahren wir endlich die Macht des Palastes. Überdimensionale Darstellungen der Herrscher werden nur von Darstellungen von Ahura Mazda, dem Gott der Perser, überragt. Auf einem Thron sitzt der Herrscher und wird von 28 Würdenträgern gestützt, die die unterworfenen Völker darstellen. Es geht weiter in die nachgebildeten Schatzkammern, in deren Mitte eine zweite Herrschaftsplatte steht. Sie war, wie die Platte im althistorischen Museum, zunächst am nördlichen Zugang zum Apadana angebracht.
Wir beenden den Rundgang mit einer Besteigung der im Hintergrund befindlichen Berge und besuchen das Grabmahl von Artaxerxes II. Uns interessiert weniger das Grabmahl selbst, als vielmehr die Möglichkeit einen Gesamtblick auf die Felsterrasse werfen zu können. Erst von oben erschließt sich die riesige Dimension der Anlage und wir können den von uns eingeschlagenen Weg rekonstruieren.
Auf unseren Rundgang begegnen wir neben den ausländischen Touristengruppen auch vielen Schulklassen. Neugierig betrachten die Kinder die ungewohnten Ausländer und müssen von ihren Lehrern mit Trillerpfeifen zur Ordnung gerufen werden. Nur ungern verlassen wir den ehrwürdigen Ort, doch noch zwei weitere antike Stätten warten auf uns.
Auf dem Weg zur nächsten Station kommen wir an den Steinbrüchen von Persepolis vorbei. Riesige Rillen verlaufen in parallelen Linien schräg entlang der Felswand und lassen das Gewicht eines jeden Quaders nur erahnen. Wir nähern uns Naqsh-e Radjab, den Felsgräbern der achämenidischen Könige. Während das in den Fels geschlagene Grab von Artaxerxes II auf den Hügeln Persepolis ins Gesamtkonzept passt, scheinen die vier Gräber hier nur zufällig zu existieren. Wieso existieren sie gerade hier und nicht zum Beispiel einen halben Kilometer flussabwärts?
Bei den Gräbern handelt es sich um aus dem Fels geschlagene Kreuze, die etwa 10-15 Meter über dem heutigen Boden angebracht sind. Die Kreuze stellen kein christliches Symbol dar, sondern repräsentieren die vier Elemente: Feuer, Wasser, Erde, und Luft. Die waagerechte Strebe ist wie die Fassade eines klassischen Tempels mit Säulen ausgearbeitet. Statt der Tempeldecke ist darüber ein Relief aus dem Leben des jeweiligen Herrschers dargestellt, dass zugleich den oberen Ast des Kreuzes bildet. Eine mannshohe Tür ist angedeutet, jedoch wird der Eingang in die Katakomben auf ein kleines quadratisches Loch beschränkt. Nur ein durch Verwitterung entstandenes Loch verrät uns von dem Innenleben des Berges, das dem gemeinen Besucher verschlossen bleibt.
Die vier Gräber werden den ersten vier Königen von Persepolis (Darius I, Xerxes I, Artaxerxes I, und Darius II) zugeschrieben. Wieso spätere Gräber dann in Persepolis und nicht mehr vor Ort angebracht wurden, ist nicht klar. Umso erstaunlicher dann auch die Reliefs, die sich neben den Gräbern befinden und etwa auf Augenhöhe angebracht sind. Sie stammen aus dem 3. Jahrhundert nach Christus. Es liegen also ca. 600 Jahre zwischen den Gräbern und den Reliefs.
Vor den Felsgräbern befindet sich ein Feuerturm, der zum größten Teil in der angeschwemmten Erde verschwunden ist. Welche genaue Bedeutung er hat, ist nicht geklärt. Es wird vermutet, dass die Toten hier den Geiern übergeben wurden. Laut zarathustrischer Religion waren sowohl die Erde, als auch das Feuer heilig. Die unreinen Leichname durften also weder bestattet, noch verbrannt werden. Daher wurden die Toten den Geiern übergeben und nur die reinen Gebeine wurden in den Felsgräbern bestattet.
Mit dem Bus geht es schnell weiter. Es wird beschlossen Unterwegs nur eine Kleinigkeit zu essen. Am Straßenrand finden wir dann auch eine kleine Sandwichbude. Die Hoffnung, dass der Samowar auch klassisch genutzt wird, wird schnell zerschlagen, als der Tee-beutel mit dem heißen Wasser des Samowars übergossen wird.
Nach der kurzen Rast geht es weiter nach Pasargadae. Der Residenz von Kyros, der kurz vor der Herrschaft Persepolis gewirkt hat. Es erwarten uns kein großer Palast, sondern vielmehr eine riesige, bunte Wiese, die als Ursprung des Paradieses, dem Garten der Perser, gilt. Nur vereinzelt erwarten uns Ruinen, die entweder den Eingangsbereich der Palastanlage, dem Palast selber oder der Empfangshalle entsprechen. Beeindruckend sind dabei nicht die Größe der Ruinen, sondern vielmehr der Abstand der einzelnen Bauwerke.
Man braucht schon etwas Fantasie, um sich die Pracht und Größe der Achemänidenstadt vorzustellen. Bei jedem Schritt über die Wiese könnte man genauso über einen verborgenen Brunnen, wie ein einfaches Wohnhaus laufen. Wir flüchten vor einer japanischen Reisegruppe und umrunden schnell das Grabmal von Kyros II, das nicht wegen seines Stahlskelettes brilliert, sondern vielmehr der Tatsache, dass es im Gegensatz von Persepolis durch Alexander den Großen verschont geblieben ist. Unter einem nahe gelegenen Baum machen wir auf einem mitgebrachten Teppich rast und genießen neben dem Chai diesmal auch eine Wassermelone. Ein zeitlicher Luxus, der den regulären Reisegruppen sicherlich vorenthalten bleibt.
Wir machen uns auf den Rückweg, denn für den Abend ist ein weiteres Highlight angesagt. Unterwegs erleben wir nicht nur einen wunderschönen Sonnenuntergang, sondern sehen auch verschiedene Nomadenstämme mit ihren Schaf- und Ziegenherden. Welch Kontrast zu der modernen Welt der Großstädte.
Nach einer kurzen Verschnaufpause im Hotel geht es in ein Hamam, dass heute als Restaurant genutzt wird. Die Umgebung ist mir zu laut, da Touristengruppen unkontrolliert die klassische Live-Musik begleiten. Zudem noch das Blitzlichtgewitter der Japaner. Das Bild ändert sich rasch, als die Touristen verschwinden, und wir uns unter einheimischen Besuchern befinden. Abbas verspricht uns den berühmten Eintopf. Die Suppe wird in einem Tontopf geliefert. Laut "Bedienungsanleitung" wird die Flüssigkeit abgegossen und persisches Brot darin eingetunkt. Die festen Bestandteile werden im Tontopf mit den mitgelieferten Stößeln zerrieben und gesondert gegessen. Trotz des herausragenden Geschmacks des Eintopfs erschließt sich uns die besondere Zubereitungsmethode nicht ganz.
Gesättigt machen wir uns auf eine Erkundungstour durch die alten Gemäuer. Der Speisesaal selbst war nur der Vorhof und Erholungsort des Hamam. Seine kühne Architektur wird erst auf dem zweiten Blick ersichtlich. Die mittlere Kuppel wird durch acht Säulen getragen und beherbergt einen achteckigen Brunnen. An jeder der acht Seitenflächen schließen sich kleinere Kuppeln mit rechteckigem Grundriss an. Um zu verhindern, dass sich separate Räume bilden, sind wiederum die Seitenflächen der quadratischen Anbauten mit gleichschenkligen dreieckigen Kuppeln verbunden. Die Außenseite des Raumes besteht somit aus 16 Seiten, jeweils 8 Seiten von den quadratischen Anbauten und 8 Seiten aus den verbindenden Dreiecken. Die mittleren Säulen haben einen trapezförmigen Grundriss, da sie sowohl an den Innenraum, als auch an je zwei der quadratischen Außenräume angrenzen und zugleich Spitze eines Dreieckes bilden. Jede der unzähligen Kuppeln ist mit schwarz-weißen Ornamenten verziert, die zum einen die Geometrie der Decke widerspiegeln aber kongenial durch Blumen- und Tiermuster ergänzt werden.
Im Nebenraum dann der eigentliche Badeort. Über eine steile Treppe kann man in drei unterschiedlich stark beheizte Becken steigen. Beeindruckend an diesem Raum ist ihr halbfertiger Zustand. In der einen Ecke die fertig restaurierte Nische, während auf das andere Ende noch der ursprüngliche Zustand zu bewundern ist. Man erhält ein Gefühl von der detailgetreuen Restaurationsarbeit.
Tag 5 - Streifzüge durch Shiraz
Nach der Exkursion des Vortages widmen wir uns heute den Sehenswürdigkeiten von Shiraz. Der Tag beginnt mit dem Besuch einer Moschee. Der Ort besticht nicht durch seine Größe, sondern vielmehr durch seine technischen Raffinessen. Der Eingangs-bereich ist durch ein buntes Gewölbe aus feinen Stufen gebildet. Besonderes Farbschauspiel bietet uns die aufgehende Sonne im Wintergebetsraum: Die bunten Scheiben tauchen den Raum in ein schillerndes Licht. Am Beispiel der zweiten Säule auf der rechten Seite erklärt uns Mossan, dass kein Gebäude perfekt sein darf, denn nur Allah sei perfekt. Der integrierte Brunnen wird genauso, wie die hölzernen Ziegelsteine (zur Erdbebenprävention) und die nach außen hin versteckte Kuppel nur am Rande wahrgenommen.
Wir besuchen die Zitadelle Arg-e Karim Khan, von außen betrachtet wirkt die Festung mit den vier runden Ecktürmen nicht gerade einladend. Welch Wandel vollzieht sich beim Betreten des Innenhofes. Die Baumreihen laden zum verweilen ein, was unsere Damen auch prompt annehmen, da Sie von neugierigen Schulmädchen umringt werden. Die Herren besuchen die Räumlichkeiten, die eine Fotoausstellung der 30er Jahre enthält. Die Fahrzeuge und Kleider der Damen erinnern eher an Chicago, als an den Iran und dokumentieren die vom Schah befohlene westliche Orientierung des Landes. Das integrierte Hamam erklärt die schiefe Lage eines der Ecktürme.
Endlich geht es in den Basar. Nachdem wir in Teheran nur einen kleinen Eindruck erhalten hatten, jetzt endlich ein "Original". Die Decke besteht aus gemauerten Kuppeln, deren kleine Öffnungen genügend Licht in den überdachten Weg bringen, ohne die Hitze des Tages hereinzulassen. Die Geschäfte zu beiden Seiten bestechen durch ihre bunten Tücher, die eher für die Nomaden, als für die Stadtbewohner gedacht sind. Gewürze werden für die spätere Abholung vorbestellt, bevor man sich in einer kleinen Karawanserei trennt. Hier werden sämtliche Souvenirs angeboten: Silberschmuck, Intarsien-Dosen, Imitate mit Motiven aus Persepolis. Nach einer Teepause entschließen wir uns den touristischen Teil zu verlassen und betreten den regulären Basar. Die Wege werden nicht mehr durch Ziegelkuppeln überspannt, sondern durch einfache Wellblechdächer oder Holzkonstruktionen, die Ziegelpfannen tragen.
Nach der Mittagspause geht es zum Grabmahl von Saadi. Das Mausoleum wurde erst 1952 erbaut und kann in keinem Baustil begriffen werden. Lediglich der unterirdische Brunnen lädt zum verbleiben ein, da er an das 2000 Jahre alte Wasserversorgungsnetz angeschlossen ist. Wir betreten einen nahegelegenen Park: Trotz seiner Vernach-lässigung besticht immer noch seine Schönheit. Mit unzähligen Kanälen kann er auch heute noch bewässert werden. Im Zentrum des Parks steht ein verfallener Palast. Zum ersten Mal sehe ich Graffiti in einer mir unbekannten Schriftart. Neben Vorschul-Kindern treffen wir auch die Schülerinnen aus der Zitadelle wieder. Bereitwillig posieren die Kinder vor unseren Kameras und sind auf uns genauso Neugierig, wie wir auf sie.
Letzte Station in Shiraz ist der Besuch des Grabmahl von Hafiz. Eine breite Säulenhalle lädt nicht gerade ein und auch der offene Kuppelbau, unter dem sich der Sarkophag des Dichters Hafiz befindet, will nicht so recht meinen Augen gefallen. Die Mystik des Ortes wird mir erst klar, als wir das Todesgedicht von Hafiz vorgetragen bekommen: Die Aufforderung bei seinem Tod sich mit Freude zu betrinken und ein Glas Wein auf sein Grab zu verschütten, muss wohl jedem Sittenwächter in Rage versetzen.
Wir begeben uns ins angeschlossene Teehaus und erfahren mehr von der Freiheit des Ortes. Wir weiden unsere Augen bei Tee, Wasserpfeife, und dem mitgebrachten, mit Rosenwasser parfümierten Nachtisch. Jugendgruppen mischen sich hier, aber auch Familien frequentieren den Ort. Zu später Stunde werden weitere Gedichte von Hafiz vorgetragen: Ihre Mystik und Zweideutigkeit lassen mich die Besonderheit dieser Pilgerstätte besser verstehen.
Es geht weiter zum modernen Flughafen. Das Stahlgerüst, das das Dach trägt, ist eine weit verbreitete Konstruktion. Die Halle wird von den Bildern Kohmeynis und seines Nachfolgers dominiert. Es handelt sich um Lichtbilder, die von hinten mit Neonröhren beleuchtet werden. Ein starker Kontrast der Moderne mit den - für westliche Gemüter - veralteten Maximen des Islams. Weiter geht es nach Isfahan, wo uns schon das berühmte Hotel Abbasi erwartet.
Tag 6 - Der Meydan-e Naqsh-e Djahan in Isfahan
Das Abbasi basiert auf der alten Karawanserei von Abbas I, der auch für die meisten Bauwerke in Isfahan verantwortlich ist. Der Innenhof ist von drei Seiten mit zweistöckigen Arkaden gesäumt. An der vierten Seite befindet sich das eigentliche Hotel und wurde auf 4 Stockwerke erhöht. Der Hof wird von einem Wassergraben mit Springbrunnen in zwei Hälften unterteilt. Über die zentrale Brücke gelangt man zum Teehaus. Trotz des parkähnlichen Aufbaus des Innenhofes kommt nicht wirklich Ruhe auf, wie man sie z.B. im Innenhof der Shirazer Zitadelle erlebt hat, stattdessen dominiert die quirlige Stimmung der unzähligen Gäste. Die Eingangshalle im Hoteltrakt versucht genauso wie der Speisesaal eine Mischung aus Barock und orientalischer Stilelemente herzustellen. Der Versuch scheitert. Die Hotelzimmer sind stilvoll aber schlicht gehalten, verlieren aber ihren Charme durch den Straßenlärm.
Der erste Tag in Isfahan steht ganz im Zeichen des Meydan-e Nasqsh-e Djahan, dem großen Isfahaner Platz. Mit einer Breite von 150 Metern und einer Länge von 500 Metern zählt er zu einem der größten umfassten Plätze der Welt. Durch sein Alter von 500 Jahren ist er Vorbild für viele westliche Plätze gewesen. Der Platz ist eingefasst durch unzählige Arkaden, hinter denen sich die Geschäfte befinden. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die zweite Etage nur Fassade ist, um die Proportionen des Platzes zu wahren. Der Platz ist an jeder Seite unterbrochen durch herausragende Gebäude, die wir heute erkunden werden.
Zunächst besuchen wir den Ali Qapu-Torpalast. Die große Aussichtsplattform in der Mitte der westlichen Längsseite des Platzes wurde genutzt um die Exerzierübungen und Polospiele auf dem Platz zu beobachten, diente aber genauso zum Empfang von Staatsgästen. Der Palast überrascht durch seine akustischen Raffinessen. Im Erdge-schoss des hinteren Gebäudeteils befindet sich eine große Kuppel. Sie wird eingeleitet durch vier kleine Teilkuppeln, die die quadratische Grundfläche in eine achteckige Basis der Kuppel überführt. Diese Teilkuppeln bewirken eine Fokussierung des Schalls in die jeweils diagonal gegenüberliegende Ecke. Eine weitere Überraschung erwartet uns im Dachgeschoss des Gebäudes, das Musikzimmer. Aus feinster Stuckarbeit sind hier unzählige Nischen in den Kuppelbau eingearbeitet worden, die die Reflektion des Schalls unterdrücken. Jede Öffnung wirkt wie aus einer großen Blechplatte herausgesägt. Gerne wäre man hier zu einem Konzert eingeladen worden.
Wir überqueren den großen Platz, um die Shaikh Lotfollah-Moschee an der zweiten Längsseite zu besichtigen. Schon von weitem fällt auf, dass die Minarette fehlen. Da die Moschee der Königsfamilie vorbehalten war, konnte auf den Aufruf zum Gebet verzichtet werden. Im Innenraum erwartet uns eine quadratische Grundfläche. Schnell verstehe ich den Übergang zur achteckigen Basis der Kuppel. Dabei wird jeder Bogen durch türkise Bänder eingerahmt. Ihre korkenzieherförmige Verzierung richtet sich beim Übergang in den Bogen auf, wodurch sich die beiden Bänder in der Spitze ohne Fehlstellen berühren. Das symmetrische rot-goldene Muster der Kuppel verleiht dem Raum seine königliche Würde. Ein schräger Lichteinfall hinterlässt dabei in der Kuppel eine keilförmige Spur, die die Perfektion der Konstruktion nur hervorhebt.
Eine Teepause wird fällig. Beim Teehaus handelt sich um ein Sammelsurium von Lampen, die die Decke versteckt. Angeleuchtet werden sie selbst von kalten Neonröhren. Die Mittagspause wird in der ersten Etage eines Hinterhauses eingenommen. Von hier hat man einen guten Blick auf die königliche Moschee und erkennt die massive Konstruktion, die nötig ist, um die Kuppel zu tragen.
Nach der Mittagspause überqueren wir abermals den großen Platz. Durch den Torpalast nähern wir uns dem 40 Säulen Palast. 20 Holzsäulen stehen auf doppelköpfigen Löwenpodesten und tragen ein Vordach, das höher als der eigentliche Palast ist. Seine repräsentative Funktion wird von der Seite leicht entlarvt. Die 20 Säulen spiegeln sich bei ruhigem Wetter in dem davor befindlichem Wassergraben und geben dem Palast ihren Namen. Der Eingang zum Palast ist von einem Stalaktitengewölbe eingefasst. Herausragend hierbei die komplette Verkleidung mit Spiegeln unterschiedlichster Größe. Während des Transportes der Spiegel aus Venedig wurden viele zerbrochen. Mit den feinen Mosaiken fanden die Bruchstücke einen sinnvollen Einsatz und dokumentieren eine gelungene Symbiose von orientalischer Baukunst mit westlichen Baumitteln. Die Innenräume hingegen hinterlassen einen düsteren Eindruck. Genauso, wie im Ali Qapu-Palast sind die vielen Wandgemälde von den Turkmenen zum Teil zerstört worden und noch heute sieht man die Meißeleinschläge in den Bildern.
Endlich geht es zur riesigen Masdjid-e Imam am südlichen Ende des Platzes. Nach dem Freitagsgebet ist sie für Touristen wieder freigegeben. Von weitem scheint die Fassade des Eingangs in keiner Beziehung zur Vorderfront der großen Kuppel zu stehen. Erst von innen löst sich dieses Rätsel. Das Eingangsgebäude dreht die Orientierung des Platzes zur Orientierung Richtung Mekka. Es eröffnet sich ein rechteckiger Innenhof, der neben den typischen vier Iwanen durch zweigeschossige Arkaden umschlossen ist. Im Zentrum der Hauptkuppel präsentiert uns ein alter Mann die Akustik des Gebäudes. Es weckt das Verlangen ein richtiges Gebet mitverfolgen zu können. Ein Wunsch der Ungläubigen natürlich verwehrt bleiben wird. Über einen kleinen Torbogen gelangen wir in den Innenhof der Medresse. Die Wohnungen der Studenten werden gerade restauriert, zeigen aber auch im gegenwärtigen Zustand bereits ihre Funktionalität. Von hier hat meinen einen guten Überblick über die Konstruktion des südlichen Nebeniwans mit seiner angeschlossenen Kuppel.
Es wird geschäftlich: Bedruckten Tücher wollen gekauft werden. Nach kurzer Einführung in die Drucktechnik beginnt die Auswahl der Tischtücher. Die vielen Formen und Motive ziehen die Auswahl in die Länge. Neben der reinen Auswahl spielt natürlich auch das Feilschen eine große Rolle und Abbas gibt hier sein Bestes, um den Preis für die Kaufwilligen zu drücken. Als Dank für seine Arbeit erhält er eine Decke vom Verkäufer geschenkt. Vielleicht hat er ja doch nicht so gut gehandelt.
Den Sonnenuntergang genießen wir am nördlichen Ende des Platzes in der Nähe des Basar-Eingangs (dem vierten Bauwerk). Im Teehaus in der ersten Etage bietet sich ein atemberaubender Blick über den riesigen Platz. Der Genuss von Chai und Wasserpfeife scheint im Widerspruch zu stehen mit der Hektik des Platzes. Dieser hat sich mittlerweile mit vielen Einheimischen gefüllt, die hier den Tag ausklingen lassen. Die untergehende Sonne taucht den ganzen Platz in ein warmes, rötliches Licht. Kann es einen würdigeren Abschluss geben?! Ja es geht. Nach einem Abstecher zu einer der vielen Brücken mit einfachem Abendessen (Linseneintopf) kehren wir ins Abbasi zurück, um den Tag stilecht mit einer Tasse Chai im Innenhof des Hotels ausklingen zu lassen.
Tag 7 - Basar und Brücken von Isfahan
Wir starten den Tag mit dem Besuch der Freitagsmoschee. Sie befindet sich am nördlichen Ende des Basars. Erste Grundlagen der Moschee wurden bereits im 7. Jahrhundert gelegt. Dem Gebäude sieht man sein Alter an, weniger durch seinen Verfall, als vielmehr durch die große Bandbreite an unterschiedlichen Baustilen und Verzierungen. Der Eingang ist schlicht gehalten und eine einfache Backsteinfassade begrüßt den Gast. Die runden Säulen sind mit Reliefs verziert. Gewölbe sind aus Verstrebungen konstruiert, deren Zwischenflächen mit Ziegeln aufgefüllt sind. Einige dieser Ziegel sind lackiert und bilden ein Muster innerhalb der Verstrebungen. Ziegelfenster erleuchten den Innenraum nur spärlich und hinterlassen auf dem Fußboden ungewöhnliche Lichtreflexe.
Von der Seite nähern wir uns der Südkuppel. Im Gegensatz zu den bisherigen Moscheen wurde hier vollständig auf eine Verkleidung mit Mosaiken oder Kacheln verzichtet. Die unzähligen Bögen verleihen dem Raum trotzdem einen majestätischen Eindruck. Wir betreten den offenen Innenraum der Moschee. Die länglichen Podeste sind eigentlich den Gläubigen vorbehalten und erlauben dabei den Transit der Ungläubigen durch die Moschee. Wie in schon so vielen Moscheen handelt es sich hier um eine vier Iwan-Konstruktion. Im Gegenzug zur unverzierten Hauptkuppel ist deren Portal umso feiner mit Mosaiken dekoriert. Zusätzliches Stilelement sind die massiv gearbeiteten Steinfenster. Mit ihren feinen Verästelungen erinnern sie an die reichlich dekorierten Holztüren und Fenster. Durch ein Fenster in der nördlichen Säulenhalle ergibt sich so ein einzigartiger Einblick in den offenen Innenraum und die gegenüberliegende Südkuppel mit ihren zwei Minaretten. Die westlichen und östlichen Iwane an der Längsseite sind klassische Iwane und sehr verschieden. Welcher der beiden Iwane geschickter den Übergang von einer quadratischen Grundfläche in die Halbkuppel erreicht sei dahingestellt. Der Schüler (Ostiwan) scheint seinen Lehrmeister (Westiwan) übertroffen zu haben, da er erst viel später von der Grundfläche in die Krümmung übergeht.
Es geht in die Gebetsräume hinter der westlichen Fassade. Welche Überraschung erwartet uns: Auch das Oldjatu-Mihrab ist aus einem massiven Stein gefertigt. Die eigentliche Vertiefung ist von einem Schriftband umrahmt, dass komplett als Relief ausgearbeitet ist. Der steinerne Charakter des Raumes wird durch die Deckenkonstruktion ergänzt. Aus der Anordnung der Ziegel wurden eigene Muster gebildet. Zudem handelt es sich hier nicht um eine Aneinanderreihung von Kuppeln, sondern eher einem Tunnelgewölbe, dass durch massive Bögen in einzelne Segmente unterteilt wird. Ein derartiges Tunnelgewölbe findet sich auch im Nordiwan, der eben als spitzer Tunnel ausgearbeitet ist. Im Unterschied zu den klassischen Halbkuppeln eine echte Abwechslung. In der dahinter gelegenen Säulenhalle weitere Gewölbe, diesmal aus zweifarbigen Ziegeln. Da etwa bei der Hälfte der Ziegel die Glasur abgeplatzt ist, scheint sich ein vierfarbiges Muster zu ergeben. Wie kann eine derartig einfache Dachkonstruktion der Moschee eine solche Würde verleihen?!
Der dunkle Eindruck der Freitagsmoschee wird im Basar fortgesetzt. Die Decken sind größtenteils aus Ziegeln gefertigt und die Lichtöffnungen tauchen den Basar in ein mystisches Licht. Die Reflektionen auf dem Boden spiegeln dabei die Form der Licht-öffnungen wieder. In den Seitengassen finden sich kleine Karawansereien, die die Waren in größeren Mengen vorrätig halten. Am Ende des Basars wird das Warenangebot touristischer, schließlich nähern wir uns dem großen Platz.
Die Mittagspause verbringen wir im besten Kebab-Haus des Iran. Wie schon so häufig können wir zwischen Kebab und Kebab mit einem "Bale" wählen. "Bale" heißt eigentlich nur "Ja", kriegt in unserer Runde die Bedeutung "Ja und Amen". Es geht weiter zur Vank-Kathedrale im armenischen Viertel. Von außen erinnert lediglich der separate Glocken-turm an eine Kirche. Das Hauptgebäude selbst wird von außen durch eine klassische Kuppel überragt. Erst von innen erkennt man den christlichen Charakter des Gebäudes. Die Räume neben der Kuppel deuten den klassischen kreuzförmigen Grundriss einer Kirche an. Zudem sind die Wände zum großen Teil mit biblischen Motiven dekoriert, was die Darstellung von Menschen und Heiligen einschließt. Lediglich eine Kachelbordüre und die Verkleidung der Kuppel erinnern hier an eine Moschee. Die Bilder bilden einen starken Kontrast zu den ornamentalen Verzierungen der Moscheen, dass so gar nicht in unser neues (islamisches) Weltbild passt.
Mit dem Bus geht es weiter zu den schwingenden Minaretten. Die dünnen Minarette können von einem im inneren befindlichen Mann leicht in Schwingung versetzt werden. Erstaunlicherweise überträgt sich diese Schwingung auf den benachbarten Minarett, was eindrucksvoll durch das läuten eines Glöckchen am zweiten Turm dokumentiert wird. Das Prinzip der gekoppelten Pendel verdeutliche ich an zwei mitgebrachten Kerzen, die an einer gemeinsamen Schnur pendeln. Neben der Eigenbewegung jeder der Kerzen überträgt der Faden auch Energie von einem Pendel zum Nachbarn.
Ein kurzer Abstecher führt uns zum nahe gelegenen Feuertempel und stellt eine vorislamische Zeitepoche dar. Leider dürfen wir aus Zeitgründen den Berg nicht besteigen, sondern begnügen uns wie klassische Japaner mit dem fotografieren der steinernen Gebäude. Ein davor befindlicher Wassertank aus reinem Beton wird vom Betrachter ausgeblendet.
Um den Sonnenuntergang "genießen" zu können rasen wir zum Fluss, um den unzähligen Brücken unsere Aufwartung zu machen. Der Besuch der ältesten Isfahaner Brücke wird wieder zum japanischen Fototermin und es geht weiter zur Khadju-Brücke, die wir im besten rötlichen Licht begutachten können. Gesättigt von den unzähligen Gebäuden des Tages lasse ich meine Augen lieber auf die vielen Isfahaner ruhen, die sich hier zum picknicken eingefunden haben. Wir folgen dem Fluss entgegen der Strömung. Eine wunderschöne Parklandschaft lädt zum verweilen ein und in der Tat bleiben wir bei dem ein oder anderen Künstler stehen, um Ihm oder Ihr bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Hier kommt es auch wieder zum Kontakt mit iranischen Studenten, die uns neugierig über Deutschland und den Fußball ausfragen.
Den Tag beenden wir am Fuß der 33-Bogen Brücke, die wir schon am Vortag besucht hatten. Unterhalb der Brücke, direkt auf den verlängerten Podesten befindet sich ein Teehaus. Die Wasserpfeife ist dabei geradezu Pflicht, bevor es mit dem Flieger zurück nach Teheran geht. Mit dem Rückflug wird uns auch langsam klar, dass unsere Reise ein Ende haben wird. Noch ein Tag in der Hauptstadt steht uns bevor, dann geht es für die meisten wieder zurück Richtung Europa. Der Flug nach Teheran bedeutet auch einen Abschied von Mossan, der mit dem Bus nach Shiraz fahren wird, bevor es am nächsten Tag direkt mit der nächsten Reisegruppe weitergehen wird.
Tag 8 - Erholung im Norden Teherans
Im Stadtteil Darband betreten wir nach kurzer Fahrt ein riesiges Parkareal. Ursprünglich wurde er für die Empfänge des Schahs genutzt. Deshalb betreten wir auch zunächst den weißen Palast, der von Mohammad Reza, dem Sohn des Reza Schah, genutzt wurde. Das Gebäude widerspricht jedem Kunststil. Der Versuch einer klassizistischen Architektur wird durch barocke Möbel komplettiert. Beeindruckend lediglich die riesigen Teppiche, die in den vielen repräsentativen Räumen ausgelegt sind.
Bei einem kurzen Abstecher ins Naturkundemuseum können wir Vermessungsarbeiten beobachten. Es geht zum grünen Palast, dem Häuschen von Reza Schah. Grün und ockerfarbener Marmor kleidet dieses Gebäude ein. Vorgelagerte Säulen rahmen den Palast ein und bilden Grundlage für das pagodenartige Dach. Im Inneren erwartet uns ein großer Spiegelsaal. Selbst der Kamin ist mit Spiegelmosaiken verkleidet. Wir können einem Restaurator bei der Arbeit zusehen. Er bringt Gips auf Spiegelkacheln auf, wodurch ein schönes Relief entsteht. Während das Erdgeschoss durch seine hohen Decken einen repräsentativen Charakter erhält, wirkt das Souterrain geradezu bedrückend, da die Deckenhöhe stark reduziert worden ist.
Wir begegnen Taraneh wieder, die sich den Nachmittag frei genommen hat. Sie erzählt uns vor dem Bild, das den Schahs mit einer Studentengruppe zeigt, von ihrem Vater. Dieser war damals vom Schah als Student nach Europa geschickt worden, um westliche Lebensweise zu erleben und Technik zu erlernen. Hinterher wurde er Chemie-Dekan an der Teheraner Universität. Ein derartiger Kulturaustausch findet leider seit der islamischen Revolution nicht mehr statt.
Nach einem kurzen Zwischenstopp im belebten Basar von Darband fahren wir in die Berge. Die sieben Flussläufe durch Teheran entstammen dem Elburz-Gebirge. Entlang ihres Flusslaufes haben sich viele Teehäuser angesiedelt und laden die Wanderer zum verweilen ein. Auch wir nehmen nach dem Mittagessen auf einen Teppich platz, während ein Teil der Reisegruppe den Berg erklimmt.
Die Nichte von Abbas begleitet uns für den Rest des Tages. Mangels Englischkenntnissen fungiert Abbas nun als Dolmetscher. Er erzählt Teile ihrer Lebensgeschichte: Als künstlerisch begabte Schülerin wollte Shima eigentlich Architektur studieren. Zwar bestand Sie die technische Aufnahmeprüfung, erlangte aber beim ideologischen Eignungstest nicht genügend Punkte. Statt Architektur wurde es dann Computerwissenschaften, die Sie für zwei Jahre studierte. Momentan arbeitet Shima als Photographin, auch wenn es Portraitaufnahmen sind, kann Sie so wenigstens etwas kreativ tätig werden.
Das Frühstücksfernsehen des Lokalsenders möchte ein Interview. Da hinter meinem Rücken der Fluss am besten zu sehen ist, werde ich kurzerhand als Gesprächspartner gewählt. Die Übersetzungen durch Abbas erfordern ein wenig technische Umbaumaßnahmen, da der Redakteur sich ein Mikrofon mit unserem Dolmetscher teilen muss. Die Fragen sind zum Glück frei von Politik und Religion (An wen denken Sie gerade? Was ist an der Person so besonders? Was wünschen Sie dieser Person?). Der gemeinsam produzierte Morgengruß dürfte sicherlich bei unserem iranischen Akzent am nächsten Morgen zur Belustigung der Teheraner beitragen.
Nachdem die Wandergruppe zurück ist, lädt uns Taraneh zu sich nach Hause ein. Genau genommen handelt es sich um ihre Ferienwohnung. Sobald die Eingangstür geschlossen war, entledigte sich unsere Gastgeberin ihres Kopftuches und Hemdes und stand plötzlich im T-Shirt da. Auch unsere deutschen Damen schließen sich an. Obwohl es nur 8 Tage waren, kommt mir dieses Bild so ungewöhnt vor. In der vergangenen Woche hatten wir ja unsere Begleiterinnen immer nur im Kopftuch gesehen. Einen derartigen Effekt der Demaskierung hatte Taraneh auch in ihrem Bauwelt-Artikel beschrieben. Habe ich das Kopftuch schon selektiv angenommen? Laut einer Theorie zur Kulturassimilation wäre die Akzeptanz des Kopftuches nach der Ethnozentrizität und dem Verständnis der fremden Kultur, die dritte Anpassungsstufe. Ihr folgen nur noch die Wertschätzung und Vermischung beider Kulturen.
Die Wohnung ist einfach, aber mit liebe zum Detail eingerichtet. Das oberste Stockwerk hat sie eigenständig hinzugeführt und selbst eine Badewanne wurde in dem engen Bad integriert. Von hier hat man einen hervorragenden Blick auf Teheran. Die bunten Farben der Wohnung erinnern irgendwie an Italien. Und auch Taraneh könnte ohne Kopftuch als Italienerin durchgehen, nur ihr Profil verrät ihre iranische Herkunft.
Während ich noch auf Entdeckungsreise durch das Haus bin, werden auf der Terrasse schon allerlei Köstlichkeiten aufgetragen und auch das Wasser für den italienischen Mokka kocht schon. Unzählige Fotos werden geschossen, um dieses für uns so ungewöhnliche Ereignis zu dokumentieren. Begehrtes Motiv natürlich Abbas Verwandte, die nun auch ihr Kopftuch abgelegt hat. Schnell verdreht Shima die Rolle von Beobachter und Objekt und macht mit ihrem Handy Bilder von uns, die hinterher mit dem Onkel begutachtet werden.
Ein weiterer Abschied von Taraneh ist nötig. Es ist aber auch ein Abschied vom Iran. Im Hotel versuchen wir unsere Eindrücke zum Ausdruck zu bringen, sind aber von den vielen Erlebnissen der vergangenen Tage erschlagen. Bei der Reisegruppe gibt es zwei Lager. Die einen haben sich auf die iranische Architektur konzentriert, während die anderen eher die Leute und ihr Leben beobachtet haben. Auch wenn in diesem Reisebericht sicherlich die Architektur im Vordergrund steht, waren mir die Eindrücke vom Leben wichtiger. Hier hätte ich gerne mehr erlebt!
Fazit
In einem Artikel zur Grundlage der iranischen Architektur heißt es plakativ: Grundlage der iranischen Architektur ist der Bogen. Verlängert man ihn in eine Richtung ergibt sich ein Tunnel, wie er z.B. in vielen Brücken Verwendung fand. Schneidet man zwei Tunnel ergibt sich ein Kreuzbogen, rotiert man aber den Bogen um sich selbst erhält man eine Kuppel.
Wie einfach diese geometrische Überlegung auch ist, reflektiert sie doch in keiner Weise die Schönheit der orientalischen Baukunst. Die bewegte Vergangenheit des Landes spiegelt sich auch in der Vielfalt der Stilrichtungen wieder. 2500 Jahre alt ist das Persepolis mit seinen überdimensionalen Säulen und feinen Reliefs. 500 Jahre alt der große Platz in Isfahan, die Freitagsmoschee ist Jahrhunderte älter. 250 Jahre alt waren schließlich eine Großzahl der Gebäude in Shiraz und Teheran. Die Vielfältigkeit lässt sich aber auch an den unterschiedlichen Verzierungen der Wände sehen: Reliefs, Wandbilder, Mosaiken und Kacheln.
Vielfältig waren auch die persönlichen Eindrücke. Allen voran natürlich das Kopftuch, das zunächst auffällt, später aber gar nicht mehr wahrgenommen wird. Anhand der Kleidung kann man zum Teil die Lebenseinstellung der Frau, bzw. ihrer Familie feststellen. Die religiöste Form ist der schwarze Schador, der bis zum Boden reicht, gefolgt vom Schador bis unter die Knie, unter dem Ansätze einer Hose hervorschauen. Es folgt schließlich das lange Hemd mit separatem Kopftuch. Die Länge des Hemdes und die Wahl der Farben dieser Kombination kann stark variieren und erlaubt eine weitere "Einordnung".
Viele Fassetten von öffentlicher Freiheit konnten beobachtet werden: Die Zeitungen und überdimensionale religiöse und politische Fasadenmalereien zeigen ein Bild, wie wir es aus den Medien kennen. Sie bilden aber nur ein sehr eingeschränktes Bild des Iran. Das Kulturzentrum habe ich dabei als unfreien Ort wahrgenommen, obwohl hier viele Einheimische neugierig auf uns waren. Das Bild des händchenhaltenden Schulpaares im Teehaus erinnert doch sehr stark an westliche Sitten. Gerade der Ort stellt eine interessante Kombination aus alter Kultur (Tee, Wasserpfeife, Teppiche) mit modernem Lebensstil dar. Schließlich gewährte uns Taraneh in ihrer Ferienwohnung einen kurzen Einblick in das Privatleben der Iraner.
Positiv überraschte mich die Neugierde der Jugend auf die fremde (westliche) Kultur. In diesem Sinne möchte ich meinen Reisebericht auch mit einem Wunsch beenden: Möge die Neugierde der Jugend nicht enden und mögen Sie die Freiheit erhalten diese Ausleben zu können.